Weilerbach

Unnerhaus-Jazzer in Flügelkappenschuhen



Jazz in seiner schönsten Form war am frühen Sonntagabend im Anbau des Reinhard-Blauth-Museums in Weilerbach zu hören. Serviert wurde er von einer schon legendären Formation dieses Genres, der Unnerhaus Jazzband. Deren Bandleader ist Franz Wosnitza, Urgestein der Gruppe und seit der Gründung vor 35 Jahren von Anfang an dabei.

Die Grandseigneure des Jazz sind nicht nur allesamt ausgezeichnete Vollblutmusiker, sie gefallen auch wegen ihrer nonchalanten Erscheinung. Adrett vom Kopf bis zu den Füßen. Und die stecken in Schuhen, die ins Auge stechen. Extravagante "two tone", zweifarbige, Fußbekleidung als Markenzeichen!? Die "gelochten" Flügelkappenschuhe erinnern an die 20er und 30er Jahre, als Hollywoodstars wie auch Gangster den Full Brogue trugen und ihm zu modischer Berühmtheit verhalfen. "Erfunden" allerdings sollen ihn zu Beginn des 18. Jahrhunderts schottische Jäger haben, die den "entwässernden" Effekt der Löcher für sich entdeckten. Heute ist der auffallende Wingtip mit der charakteristischen Flügelkappe vor allem im Showbiz ein Hingucker. Ein Schauschuh eben.

Frank Wosnitza (Kornett und Gesang), Johannes Maiß (Sousaphon), Henrik Dahn (Banjo und Gesang), Felix Streb (Schlagzeug), Michael Kudyba (Posaune), Jeff Green (Klarinette, Saxophon, Basssaxophon) zelebrierten in gewohnter Manier Dixieland, New-Orleans-Jazz und Swing. Wenn Wosnitza zum Mikrophon greift und seine markante Stimme erklingen lässt, könnte auch eingefleischte Atheisten ein religiöses Déjà-vu-Erlebnis überkommen und an Wiederauferstehung glauben. Augen zu - und man wähnt Louis Armstrong mit seiner unverwechselbaren rau-rauchigen Reibeisenstimme zu hören. Eigentlich fehlt dann nur noch das übergroße Taschentuch, mit dem der schwitzende Mr. "Satchmo" sich wieder salonfähig machte. In Anlehnung an den Titel "Dr. Jazz" forderte Wosnitza, Musik auf Rezept zu verordnen. Die sei wesentlich wirkungsvoller als die vielen Placebos. Mehr als gefällig auch das zarte Liebeslied "Dream a Little Dream of Me" wie auch "Ich wohn` in einem Pappkarton in Mainz am Rhein".

Nach der Pause widmete sich die Unnerhaus Jazzband den Leinwandklassikern aus der großen Zeit des Kintopps, als Zarah Leander und Heinz Rühmann über die riesigen Leinwandflächen flimmerten und, laut Wosnitza, "kreative und tolle Musik" geschrieben wurde. Herrlich locker-flockig-frei die jazzige Variante des Schlagers "Wenn der weiße Flieder wieder blüht" und des Boogie "Mäcki war ein Seemann und kein Hafen war ihm fremd". Eine gelungene Veranstaltung, bei der die musealen landwirtschaftlichen Gerätschaften eine passend-rustikale Kulisse lieferten.

Die Unnerhaus Jazzband (von links): Jeff Green, Michael Kudyba, Johannes Maiß, Felix Streb, Henrik Dahn und Frank Wosnitza.

Text/Fotos: bm